Freunde für Asien e.V., Sonntag 02.12.2012

 

Liebe Freunde,

 

noch nie waren wir mit einem so großen Team in unserem Krankenhaus in Burma tätig gewesen. Ich stelle vor: das Chirurgie Team mit 4 Teilnehmern (Uwe Chirurg; Konstanze Gynäkologin, Christiane Anästhesistin und Gudrun Op.-Schwester), das zahnärztliche Team (Elmar und Winfried, beide Zahnärzte), das Augenteam (Wolfgang und Baw Baw) sowie Jochen als "Mutter der Kompanie". Auch habe ich schon viele Anstürme von Patienten erlebt, diesmal aber übersteigt es alle bisherigen Erfahrungen. Spät abends bei einem Bier wird erzählt und sich gegenseitig wieder ermutigt.

 

Ich selbst habe in der Woche etwa 350 Patienten untersucht und knapp 100 Augen operiert. Das bedeutet 5 bis 6 Stunden pro Tag konzentriertes Arbeiten an den beiden Op.-Tischen im Wechsel mit Baw Baw, die gekonnt einzelne Operationsschritte übernimmt. Nachmittags ist Sprechstunde, aber bereits vormittags sitzen Patienten vor der Tür des Operationsbereiches und warten. Geduldig und ruhig sitzen sie da, auf dem Steinboden hockend und kommen am nächsten Tag wieder, wenn sie heute nicht dran kamen.

 

Einige Schicksale der Patienten möchte ich herausgreifen, die mich besonders angesprochen haben. Eine Frau hat schon 3 Monate auf mich im Dorf gewartet, ein alter Mann ist beidseitig blind und ich kann ihm nicht mehr helfen. Am Schluss zeigt er mir seine Nase. Da wächst doch ein riesiger Nasenpolyp aus einem Nasenloch heraus. Da ich immer feinen Draht bei mir habe, kann ich daraus mit einer schlanken 1 ml Spritze ein Gerät bauen, das wie ein Lasso den Polypen einfängt und abzwickt. Aber so einfach geht es diesmal nicht. Ich habe 2 Op.-Tage an dem Riesenpolypen gearbeitet, und bin nass geschwitzt, bis ich ihn an der Basis mit einem mutigen Scherenschlag abtrenne. Die Blutung wird mit Adenalin Tupfern gestoppt.

 

Erst abends kann ich die Visite bei den operierten Patienten machen. Die Operationen sind nahezu alle gut und hervorragend gelungen. Die abendliche Visite ist immer ein Höhepunkt. Die Freude der Blinden und ihr unfassbares Erlebnis des neuen Sehens, das mitunter aber neu eingeübt werden muss. An einem Abend sind nach dem Öffnen der Verbände die guten Nachrichten der Patienten so überwältigend stark, dass mein Übersetzer, sonst ein cooler Atheist, begeistert ausruft, dass Gott die Karen lieben muss. Es ist eine ganze Woche gelungener Operationen und das trotz meiner langen Op.-Pause.

 

Doch nicht alle können in die Freude der vielen einstimmen. Mancher kommt zu spät – sicherlich um Jahre zu spät. Ein Mann hat einen fortgeschrittenen bösartigen Augentumor. Auch für ihn habe ich keine Hilfe mehr. Die große Freude auf der einen Seite verbindet sich immer wieder mit den unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten von Krankheit und Leid. Sie bleiben im Hintergrund und zeigen uns die Grenzen auf. Aber diesmal kann ich die Grenze weit hinüber schieben auf die Seite „Gewonnen“!!

 

Meine alte Freundin Kim Maung kam wieder vorbei. Sie ist inzwischen Mitte 20 und eine schöne junge Frau geworden. Ihr Sehen hatte sich durch einen angeborenen Schaden in der Hirnverbindung zum Sehnerven nur mangelhaft ausgebildet. Ihre Augen flackern unruhig. Vor einem Jahr hatte ich ihr Kortison ins linke Auge gespritzt. Sechs Monate hatte die Wirkung angehalten, aber immerhin waren es sechs schöne Monate für sie. Jetzt bittet sie um einen weitere Spritze. Nach Kontrolle der Augen bekommt sie wieder Kortison in den Glaskörper gespritzt. Manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die helfen, so wie die 0,1 ml Kortison für Kim Maung.

 

Wir bleiben dran.

Euer Wolfgang Hasselkus